Diagnose: Warmweh

Jetzt ist er also da, der November genau so, wie ich ihn gar nicht mag!
 
Zeit für ein paar Sentimentalitäten: vor einem Jahr noch waren wir voller Vorfreude, mitten in den Vorbereitungen, dem Ausmalen, wie dies und das werden wird. Jetzt haben wir einen wunderschönen gelebten Traum – aber November ist weiterhin, und er ist weiterhin grostlos trau, äh trostlos grau. Und die neuen großen Träume sind erst im Entstehen, im Sondiertwerden, im Gestaltannehmen – und was daraus wird, steht derzeit noch in den viel zu wenigen heimischen Sternen.
 
Erschütternd auch ein bisschen, wie schnell frau sich wieder an die Luxi des heimischen Lebens gewöhnt: das Kochen- und Backenkönnen-nach-Lust-und-Laune, mehr als in einem Wohnmobil mit mickrigem 2-Flammen-Gasherd und beschränkten Bevorratungsmöglichkeiten und Gerätschaften möglich ist. Das bringt zwischendurch schon Freude ins Grau!
 
Ebenso wie die Ausläufe mit Benno, meinem Schweinehund, an jenen Tagen, wo ich mich trotz des Wetters aufraffen kann, laufen zu gehen! Das macht doppelt stolz – vor allem am Tag danach, wenn man des aufrechten Gangs wieder fähig ist.
 
Auch an das Nicht-Arbeiten zuhause habe ich mich hervorragend gewöhnt, war eigentlich gar nicht so schwer (grins). Es ist erstaunlich, wie schnell ein Tag zuhause vergeht: nicht, dass ich nichts täte, aber mit noch so kleinen Kleinigkeiten ist halt schnell mal eine Stunde, ein Tag, eine Woche um. Und die Projektliste ist immer noch nicht viel kürzer geworden!
 
Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie es wird, wieder zu arbeiten, mit Wecker aufzustehen, einen wirklich geregelten Tagesablauf zu haben. Und eigentlich wollte ich mir ja eine Auszeitverlängerung geben, bis ich wieder RICHTIG LUST AUF ARBEITEN habe. Ob ich merken werde, wann es soweit ist? Derzeit habe ich Lust auf Projekte – und den leisen Traum, irgendwann daraus auch Arbeit, sprich: Geld, zu machen.
 
Außerdem stelle ich fest, dass es schön ist, abends einfach so lange aufzubleiben, wie ich Lust habe, ohne lästige Gedanken daran, wie zeitig ich am nächsten Tag zur Arbeit muss. So fühlen sich Kinder, glaube ich mich dunkel zu erinnern, wenn sie ausnahmsweise mal so lange sie wollen aufbleiben dürfen.
 
Jedenfalls habe ich beschlossen, Weihnachten heuer schon im Vorfeld zu genießen. Ich habe bereits erste einschlägige Rezepte herausgesucht, mit der Deko zuhause begonnen, ein paar weihnachtlich angehauchte Rezepte probiert und würde am liebsten Hunderte Geschenke verpacken – einfach, weil ich so gerne schön verpacke!
 
Nun aber geht es für zwei Tage mit Freundinnen nach München, auch wenn dort das Warmweh wohl nicht gestillt werden kann. Aber der eine und andere Punsch auf den angeblich so netten Adventmärkten kann zumindest von innen wärmen…
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

Neue Diagnose: Sehnenscheidenentzündung mit akutem Australienweh

Jede Woche eine neue Diagnose? Fast scheint es so, obwohl die derzeitige hartnäckige Sehnenscheidenentzündung nach Aussage von diversen Ärzten auch was Anderes sein könnte – nur wissen sie nicht genau, was… Dazu kommt, beim linkshändigen Aussortieren der Australien-Fotos für eine dezente Dia-Show, ein Anfall sehr akuten Australienwehs. Damit hatte ich nicht, zumindest nicht in diesem Ausmaß, gerechnet.
 
Und: Ich weiß zwar nach 9 Monaten Auszeit recht gut, was ich ohne Arbeit bin (ein sehr zufriedener Mensch), aber was ich ohne rechte, weil still gestellte Hand, bin, merke ich erst langsam. Tippen linksseitig? Lesen nur linkshändig? Mixen und backen nur mit der linken Hand?
 
Nun ja, in die Kategorie "Neue alte Hobbys" fällt derzeit – seit wir wieder Kabelfernsehen haben – ohnehin das intensive Fernsehprogrammlesen und noch intensivere Anzeichnen von interessanten Sendungen – ohne die Sendungen jemals anzusehen, aber ich merke, das Gefühl der Senderauswahl ist die größte Freude. Ein Hauch Freiheit eben…
 
A propos Freude: ich schätze mich glücklich, denn ich habe 3 Bleistifte gewonnen! Kaum zu glauben, dass es in unserer konsumorientierten Zeit noch solch triviale Gewinne gibt. Obwohl ich zu meiner Schande gestehen muss, dass sie den Schriftzug einer, wie ich vermute, aktuellen Fantasy-Reihe, tragen. Ich oute mich also als Banause mit drei neuen Bleistiften. Und als stolze Bezwingerin, erstmals im Jahr 2008, von 8,5 km im Laufschritt – und das am Stück! Benno der Große (mein Schweinehund) war natürlich mit von der Partie, hat sich aber durch nette Plaudereien ein wenig einlullen lassen.
 
Ebenfalls sehr erfreulich ein weiterer Teilaspekt des heimischen Alltags: gemütliches Samstagsfrühstücken mit Freundinnen, diesmal im sehr netten Hansen in der Wiener Börse. Und ebenso erfreulich: der Abschluss des ersten größeren heimischen Bau-Projekts – der fotomosaizierte Seestern im Schlafzimmer, siehe Foto unten.
 
Weniger erbaulich: wiederholte Kurzschlüsse wegen eines nicht mehr funktionstüchtigen Waffeleisens, was dazu führt, dass der bereits fertige Waffelteig in der Pfanne herausgebacken werden muss, was wenig adrette "Laberl" auf die Teller bringt. Dazu eine kleine Störung unseres Videorekorders just bei einer Sendung, an der mein Herz hing…
 
Es zeigt sich in Summe aber trotzdem, dass der heimische Alltag auch Positives zu bieten hat – zumindest bis ich mir besagte Australien-Fotos zu Gemüte führe und die Kakadus gleich wieder kreischen höre, den Sternenhimmel vor mir sehe, den Staub der Wüste rieche und mich zurücksehne. Nach dem einfachen Leben mit der Dusche aus der Wasserflasche, dem On-the-road-Feeling mit täglich neuen Abenteuern, dem Herzklopfen und Herzaufgehen, wie es eine Heimatstadt einfach nicht bieten kann.
 
Fest steht jedenfalls, dass, so oft mich diese Frage auch beschäftigt, ich mir nicht vorwerfen kann, nicht jeden einzigen Moment genossen zu haben, selbst solche, die eigentlich nicht zu genießen waren! Und das ist ein weiterer Grund zur Zufriedenheit…
  
 
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

Diagnose: Wohnwagenweh

Heute Abend beim Laufen an der Alten Donau: "es" läuft eigentlich recht gut, obwohl sich der gegen Abend und Winter immer unerbittlicher werdende Schweinehund ziemlich reinhängt, die Luft ist klar, die Laufkumpels nett, die Hochhäuser spiegeln sich in der spätherbstlichen und vor allem sehr nächtlichen Alten Donau – alles paletti.
 
Gegen Ende der Runde müssen wir an zwei geparkten großen Autos vorbei. Plötzlich macht sich ein unverkennbares Rucken und Zucken in meiner Seele bemerkbar: es sind Wohnmobile! Daneben auf einer Parkbank haben die Wohnwagenbewohner reichlich Flaschen mit, wie ich vermute, reichlich Hochprozentigem aufgebaut – ein nächtliches Picknick! Und seltsam, seltsam: es ist gar nicht so sehr Fernweh, das ich im Handumdrehen bekomme, sondern vielmehr Wohnwagenweh – Sehnsucht nach einer sehr kleinen, aber sehr mobilen Hütte auf Rädern, der Inbegriff von Freiheit und Verpflichtungslosigkeit.
 
Ob die wohl auch abends unter der laubentleerten Birke am Straßenrand aus der Wasserflasche duschen??? Dann käme wohl auch noch eine weitere Krankheit meinerseits hinzu – die winterliche Ausprägung des sommerlichen Freiluftduschneids!
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

Bleichgesicht an Winterdepression

ODER: Über den Glücksfall eines gezappelten dreifachen Rittbergers
 
Der Überschrift kann man es bereits entnehmen: wir sind erbleicht auf die uns ureigenste, wenn auch nicht gerade ansprechende Hautfarbe namens "Winteraschfahl". Weiters kann man, und das fällt eindeutig in die Kategorie der positiven Nachrichten, der Überschrift auch entnehmen, dass es mir bislang gelungen ist, der Winterdepression ein Schnippchen zu schlagen.
 
Nicht, dass das mein Verdienst wäre – ganz und gar nicht. Wie so oft im Leben liegt es – nein, nicht an den Männern – sondern am Wetter, das Launen kommen und gehen lässt und die mir so vertraute Winterdepri dieses Jahr noch hintan hält, sehr fest, wohlgemerkt. Denn wir schreiben tagsüber immer noch über 15 Grad, und auch einige Sonnenstrahlen haben sich letzte Woche nicht nur nach Wien, sondern auch nach Floridsdorf verirrt. Das wiederum hat mich zum Laufen beflügelt und das wiederum tut der Seele gut.  
 
Und als ob das noch nicht genug des Glücks wäre, wären da auch noch die zahlreich ausprobierten neuen Rezepte. Dieses nicht neu entdeckte, aber nun exzessiv ausgelebte Hobby des experimentellen Kochens (vor allem auch dann, wenn es um Umrechnungen ginge, wie etwa von Unzen in Milliliter, oder war das doch etwas anderes?) bereichert mein Leben. Leider auch die Waage, was ich aber weiterhin standhaft zu ignorieren und weniger standhaft (siehe oben unter Punkt "Laufen") zu bekämpfen versuche.
 
Zieht man dann noch den vierten Platz in einem banalen Fotowettbewerb sowie die Tatsache in Betracht, dass ich heute a) weder ausgeraubt noch b) schwer verletzt wurde, ist das alles andere als verachtenswert. Vor allem die Punkte a) und b) geben Anlass zur Freude, denn heute war wirklich nicht mein Tag: zuerst rannte mich ein Mann auf der Straße dermaßen nieder, dass es mir die Füße inklusive der daran befindlichen Beine in Sekundenbruchteilen unter dem Körper wegzog, der jedoch im wahrsten Sinne des Wortes kurz darauf und sehr harsch auf den bereits leicht verknöchelten Fuß folgte. Als ich mich wieder darappelt hatte, waren sowohl noch alle Gliedmaßen als auch noch alle Wertgegenstände vorhanden, was mir einen rippenseitig etwas schmerzhaften Seufzer der Erleichterung abrang. Dann wollte mich noch ein Autofahrer auf einem Parkplatz niederführen, doch auch hier ging alles sehr glimpflich, wenn auch ziemlich schimpflich ab. Ich sage nur so viel: wer mich wie ein panisches Känguru hüpfen sehen möchte, hätte heute am Mediamarkt-Parkplatz dabei sein sollen! Ist aber wohl gut so, dass um diese Uhrzeit fast alle meine Bekannten noch ihrer redlichen Erwerbstätigkeit nachgehen und ich meine gezappelten dreifachen Rittberger unbeobachtet machen konnte. Wie auch immer: so kommt es, dass ich mich über ein paar blaue Flecken freue und mich philosophischeren Fragen widmen kann.
 
So etwa jener, was ich ohne Arbeit bin. Das ist schließlich eine jener Fragen, mit der sich Auszeit nehmende Menschen oft unangenehm konfrontiert sehen. In meinem Fall ist von unangenehm jedoch keine Spur. Endlich habe ich richtig viel, wenn auch noch immer nicht genug, Zeit für meine Hobbys. Ich muss diese nicht mehr abends, wenn ich bereits müde bin, noch mühsam in den Tag quetschen, mir Zeit untertags "stehlen" und mich mit einem arbeitsausfallsbedingten schlechten Gewissen herumschlagen, sondern kann diese ausüben, wann immer es mich überkommt. Hurra! Nicht dass ich es nicht ohnehin schon vorher gewusst hätte, aber trotzdem: Angst, dass mir in der Pension fad wird, habe ich definitiv nicht! Wenn schon Angst, dann dass die Pension nicht lange genug wird: vielleicht muss ich früher damit beginnen?
 
Heute ist außerdem ein sehr besonderer Tag: nach 8,5 Monaten Auszeit, in der Max und ich nie länger als 2 x 60 Minuten und 3 x 25 Minuten voneinander getrennt waren (das muss man sich mal vorstellen!), bin ich heute erstmals am Abend alleine zuhause – mehrere Stunden lang! Auch wenn wir untertags schon wieder oft jeder unseres Weges gehen, so ist es doch etwas anderes zu wissen, dass ich heute Abend mindestens 6 Stunden für mich alleine habe. Was ich da alles machen könnte! In Wirklichkeit habe ich so viele Ideen, dass ich für nichts richtig Muße habe. Aber das ist auch gut, denn so kann ich mich wieder einmal längeren Auszeitnachbetrachtungen widmen und so in bewährter Manier meine Gedanken auf die Reihe bringen.
 
Und in der verbleibenden Zeit werde ich wohl wieder in meinen neuen Kochbüchern stöbern und die Liste der potenziellen Kreativprojekte ordnen: wenn schon nicht nach Priorität, die sich täglich ändert, dann vielleicht alphabetisch. Ich werde berichten…
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

Rekord! Verdächtig…

Heute habe ich einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt: ich habe, sage und koche, ganze 5 Rezepte aus der Auszeit nachgekocht. Die Waage wird, so befürchte ich, berichten. Aber das Herz lacht!
 
Es macht richtig Spaß, mit viel Zeit – der Luxus des Noch-Nicht-Wieder-Arbeitens – Rezepte auszusuchen, in Ruhe dafür einzukaufen, und diese ebenso in Ruhe nachzukochen, zu variieren, zu fotografieren, zu dokumentieren – und zu essen! Details dazu unter http://dasfacettenreich.spaces.live.com
 
A propos Fotografieren: heute habe ich erneut einen 4. Platz in einem Fotowettbewerb gemacht. Ein weiterer 20 EUR-Fotogutschein ist mir somit sicher… auch eine, wenn auch bescheidene, Einnahmequelle…
 
Und ich habe ein wunderschönes Fotoalbum fertig gestellt: nachbearbeitete Fotos mit Texten zur Auszeit, und unser Wohnzimmer haben wir auch auszeitmäßig nachgerüstet. Jetzt macht unser fiktives Fenster nicht mehr Lust auf Griechenland, sondern auf Fidschi. Und das mit nur 30 Minuten Arbeitsaufwand! (Foto folgt!)
 
Oh, the good life!
 
 
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

Novemberliche Anwandlungen

Manchmal bin ich einfach sowas von zufrieden mit mir, dass es mir fast unheimlich ist.
 
Heute ist ein solcher Tag. Nach einem langen Abend lange, sehr lange ausgeschlafen – und wenn auch nicht ausgeschlafen, so zumindest geschlafen. Dann ein herrliches Frühstück, ein paar erbauliche heimische Erledigungen, die die To Do-Liste vorübergehend schrumpfen lassen, wie Klingel-Reparieren und Glühbirnen-Austauschen, wirklich Erbauliches wie Bilder-Aufhängen und eigentlich den ganzen Tag lang nur Dinge, die mir Spaß machen – ein paar werden sogar gleich fertig, andere wiederum gehen erst in die Anfangsphase. Apfelchips-Rezept testen, wobei es gar nichts macht, dass plötzlich sehr viele, sehr schwarze Schwaden aus dem Backrohr kommen, weil das Rezept 250 Grad forderte, aber keinen Hinweis darauf enthielt, dass dies Fahrenheit sein sollten und nicht Celsius… Aber auch das kann mich heute nicht erschüttern!
 
Ich bearbeite Fotos auf dem neuerdings wieder funktionstüchtigen PC, probiere ein leckeres Kürbisrezept, spiele Musik, die ich seit Waikiki hören wollte – keine Ahnung, warum ich dort gerade Reinhard Meys "Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars" hören wollte, bearbeite weiter Fotos und freue mich über das herrlich gleichbleibend graue Wetter, das mich jeder Versuchung hinauszugehen entledigt.
 
Selbst die Tatsache, dass Max versehentlich alle meine Favoriten unwiderbringlich gelöscht hat, entlockt mir kaum ein ärgerliches Wort.
 
Ein wirklich toller Novembertag – und das mir, der personifizierten Wintergrauhasserin! Es sieht fast so aus, als ob ich mich damit abgefunden hätte, wieder zuhause zu sein – ohne weitere Auszeit-Etappe in Sicht. Es geschehen noch Zeichen und Wunder, ich merke es! Oder war gestern in der köstlichen Nachspeisentorte meiner Mami nebst Tausenden Kalorien vielleicht ein Wundermittel gegen Winterblues? Dann muss man die Kalorien gleich noch weniger bereuen 😉
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

27 Tage danach

Sind wir wirklich schon wieder seit 27 Tagen in Wien?
 
Einerseits fühlt es sich ganz nach dem Motto "Waren wir überhaupt schon auf Auszeit?" viel länger an und auch unser Erschöpfungsgrad könnte darauf schließen lassen, dass wir eine Auszeit dringend nötig haben. Andererseits ist die Zeit in Wien irre schnell vergangen; von Freizeit und "Auszeit in Balkonien" keine Spur. Admin ist das Thema jedes Tages, und die Probleme häufen sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und das finden wir nicht sehr erbaulich.
 
Für Abwechslung sorgte hingegen unsere Familienbesuchswoche in Gibraltar bei Tom, Sonja und Larissa. Details inklusive Fotos auf http://dasfacettenreich.spaces.live.com.
 
Dennoch, die Frage bleibt: was ist von der Auszeit geblieben außer dem Wunsch, auch in Zukunft viel zu reisen? Ich habe mich seit kurzem irgendwie damit arrangiert, nun in Wien zurück zu sein und bin nichtnur voller Projektideen, sondern auch voller Umsetzungsdrang. Aber die Temperatur, der graue Himmel und vor allem die Beschwertheit, die mit dem heimatlichen Leben einherzugehen scheint, gefallen mir gar nicht. Und während ich an ersteren zwei Punkten wohl ohne größeren geografischen Wechsel nichts ändern kann, beschäftigt mich der dritte Punkt zunehmend. Warum ist es so schwer, ein kleines bisschen Auszeitfeeling in den Alltag einzubringen, noch dazu, wo wir derzeit ohnehin noch nicht arbeiten? Wobei ich sagen muss, dass angesichts der vielen zu erledigenden Dinge an Arbeit auch gar nicht zu denken wäre, selbst wenn wir das wollten. Aber was ist schon Arbeit? Würde ich einen Weg finden, eines meiner Projekte zu vermarkten, würde sich "Arbeit" vermutlich sehr gut anfühlen!
 
Und während ich so beginne, mich mit der erneuten Ansässigkeit in Wien abzufinden und versuche, mir über die Bedeutung der Weltwirtschaftskrise im Allgemeinen und Speziellen klar zu werden, an der Verkraftung des Schocks arbeite, dass – ohne dass wir es unterwegs "bemerkt" haben -, Hansi Lang mit 53 Jahren mitten bei der Arbeit am 2. Slow Club-Album an einem Schlaganfall verstorben ist, wirft mir Max plötzlich eine gar nicht so unbedeutende Frage hin: "Was ist, sollen wir noch einmal wegfahren? Die Auszeit, die wir uns gegeben haben, läuft schließlich noch bis Mitte Jänner." Das soll frau nun einmal nicht aus dem Konzept bringen, denn womit er Recht hat, hat er Recht und meine Projekte laufen mir sicher nicht davon…
 
Schaun wir mal, sage ich, und weiß nur, dass ich Mitte Dezember einen wichtigen Termin in Wien habe: ich muss mit meiner Nichte Kängurus mit Streusel und Smarties backen (ganz wie Conny in "Conny lernt backen") und erstmals werde ich gemeinsam mit Tom und Larissa Weihnachtsfiguren "aufbauen" und Max und ich haben schweren Herzens und belegter Stimmbänder versprochen, Larissa in der Voweihnachtszeit noch einmal unser Duett über "Da ist ein Loch in der Kanne" vorzusingen, das ihr aus einem nicht ganz nachvollziehbaren Grund sehr gut gefällt. Naja, eigentlich verstehe ich es schon: mir gefallen einige ihrer Lieder ja auch sehr gut; ich denke nur an "Never smile at a crocodile", "Baa-Baa black sheep have you any wool?" oder "The wheels on the bus". Wer grinsen oder womöglich auch gleich ein wenig üben will, sollte sich YouTube ansehen: http://www.youtube.com/watch?v=TX4_WHBNskc und http://www.youtube.com/watch?v=g3xtMZvG2WI sind ebenso heiße Tipps wie http://www.youtube.com/watch?v=gEtuXrV_KnM (wobei hier der Text doch ziemlich von Larissas Version abweicht)!
 
Aber selbst dieser Fixpunkt in unserem Kalender von Mitte Dezember, der sogar mit einem Keks-Sticker in Larissas Kalender eingetragen wurde, würde uns auch noch einige Wochen Auszeit ermöglichen… wir werden berichten…
 
 
Veröffentlicht unter Allgemein | Kommentar hinterlassen

Von Lebensgeistern und Ideen

Gestern noch habe ich beim Durchblättern des Hofer-Reiseprospekts mit günstigen Herbst-/Winter-Angeboten für Österreich und Europa gemeint, dass ich derzeit gar keine rechte Reiselust habe. "Die Vorstellung, im grauen Herbst in irgendeinem mittelmäßigen Hotel abzusteigen, turnt nicht richtig", so meine Worte. Ein Hotel würde sich jetzt einfach nicht richtig anfühlen – ebenso wenig wie der Herbst. Ein Wohnmobil muss her, breite oder zumindest ausreichend staubige Highways oder jedenfalls viel viel Sonne und vor allem blauer Himmel.
 
Diese Aussage gepaart mit meinem langen gestrigen Blog – den Wien-Herbst-Frust auszusprechen ist eben etwas anderes als ihn nur zu fühlen – sowie die erneute Lektüre von "Ein Jahr in Australien" von Julica Jungehülsing bringt mich auf eine nahezu geniale Idee. Nun ja, ICH finde sie zumindest genial. Es handelt sich dabei nämlich um die Erkenntnis, die ich vor lauter durchgeplantem Alltagstrott fast übersehen hätte, dass unser JAHR AUSZEIT noch gar nicht um ist, sondern noch bis Mitte Jänner geht. Es gibt eben doch immer Alternativen…
 
Zufällig hatte ich bereits kurz vorher meine Wissbegierde bezüglich Ecuador gestillt und festgestellt, dass man von der Reisezeit gesehen bis November/Dezember ruhig hinfahren könnte. Doch meine für so genial befundene Idee stößt bei Max nur auf Fassungslosigkeit. Seine ganze Diplomatie hilft nichts; der langen Rede kurzer Sinn lautet: er will jetzt gar nicht weg. Wie schade. Ich fand die paar Wochen in Wien jetzt sehr schön, könnte mir aber – sozusagen zum Cooldown wie nach dem Sport – einen weiteren kleinen Ausflug in die weite Welt sehr gut vorstellen. Ich wäre auch flexibel: wenn nicht Ecuador und die Galapagos-Inseln, dann von mir aus auch in die Karibik oder nach Asien – stationär, ruhig und relaxend, sozusagen, um all die Eindrücke der letzten 9 Monate aufzuarbeiten und neue Projekte anzugehen.
 
Etwas enttäuscht schlafe ich ein und träume, wie so oft, sehr merkwürdige Seltsamkeiten. Beim Aufwachen habe ich jedoch die nächste Idee, und das alleine beruhigt mich: meine Lebensgeister sind zurück. Vielleicht, denke ich, ist mein Fernweh einfach noch nicht gestillt? Und vielleicht lässt es sich schneller stillen, wenn ich alleine reise? Zwar kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, ein für mich so exotisches Land wie Ecuador alleine zu bereisen, aber das muss ja auch nicht unbedingt sein. Auch die Vorstellung, nach so langer Zeit mit Max für längere Zeit von ihm getrennt zu sein, ist sehr befremdlich. Aber wenn es einem guten Zweck diente? Jenem, mein Fernweh durch eine Intensivbehandlung endlich zu stillen und mir eine doppelte Portion heimischer Sesshaftigkeit einzuimpfen? Traditionelle australische Medizin (TAM) eben…
 
Wie ich es drehe und wende: vor meinem geistigen Auge ist bei dieser Idee bereits ein Bild entstanden, das mir ausnehmend gut gefällt. Ich sehe einen kurzen Stopover in Hongkong oder Singapur (aufregend genug, wenn ich alleine reisen sollte) und dann, was sonst, die Idylle Sydneys im Frühjahr und Sommer. Werde ich widerstehen können? Wird die Vernunft siegen? Und wie könnte ich das anlegen, wenn ich zu Weihnachten gerne in Wien wäre?
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

16.10.2008 – 2 Wochen danach

Ich stehe unter der Dusche und blicke durch das Fenster in einen grauen Nebel-Regen-Herbsttag in Wien. An die Auszeit erinnern nur mehr Kleinigkeiten: das letzte Rest Haar-Shampoo "Weißer Pfirsich" und ein ebenso letzter Rest gebräunter Haut. Sie nähert sich trotz aller Bemühungen mit dem von Max als "Body Glue" bezeichneten "Energy Glow"-Selbstbräuner rasant der Farbe des Himmels an: shades of grey. Ich erinnere mich noch gut, wie ich vor vielen Monaten einmal einen Blog-Eintrag mit dem Titel "Shades of Grey" geschrieben habe, als wir an der Ostküste Australiens in eine sehr lange währende Schlechtwetterfront geraten sind.
 
Auch die Erinnerung kann hier nichts beschönigen: ich gebe unumwunden zu, dass ich damals auch nicht gerade gut drauf war. Zuhause hat man doch um einige Freiheiten mehr, dachte ich: ich könnte einen Kuchen backen (unser Wohnmobil hatte kein Backrohr), ich könnte mich aufs Sofa legen (unser Wohnmobil hatte nur eine schmale Bank), ich könnte Video schauen (von Videorekorder im Wohnmobil natürlich keine Spur), doch dieser Tage tue ich bei diesem Wetter von alledem kaum etwas. Denn ich mache Besuche – nicht aber jene erfreulichen Wiedersehensbesuche, die man sich in der Ferne so gerne ausmalt, sondern ich besuche Ärzte – drei in einer Woche.
 
Als Spezialistin für Kehlkopfentzündungen habe ich mir gleich nach der Rückkehr wieder eine zugelegt – und eine Allergie gleich obendrein. Obwohl ich mir ja nicht vorstellen kann, dass es tatsächlich ein Kraut gibt, das diesem grässlichen Wetter trotzt und um diese Jahreszeit nicht nur blüht, sondern auch noch Allergien verursacht. Doch ja, das gibt es: sie haben vielversprechende Namen wie "Wegerich" und "Beifuß" – wobei ich bei ersterem an einen Landstreicher und Strolch und zweiteren an eine unschöne Fußverformung denken muss.
Max: klingt irgendwie bedenklich, denn ich habe auch leichtes Augenjucken, was mir zwar als Profiallergiker – beim gestrigen Allergietest hatte ich gleich 16 von 21 möglichen Punkten – nicht grundsätzlich fremd ist, aber der Herbst war für mich bislang eher die Erholungssaison.
 
Vieles ist anders in Wien. Anders als in Asien sowieso, aber auch anders als in Australien oder den USA. Hier bin ich – auch ohne die Arbeit gleich wieder aufzunehmen – sofort und trotz aller Gegenmaßnahmen wieder im alten Trott gelandet. Putzen, Erledigungen machen, Organisieren, Einrichten, Einräumen und Ausräumen sind beängstigend schnell wieder zur lästigen Pflicht geworden. Dabei war ich so sicher, dass es dieses Mal ganz anders sein würde. Das Schlimmste aber ist das Zeitgefühl: kaum zuhause, verrinnt die Zeit wieder. Man tut viel, ohne das Gefühl etwas für sich getan zu haben. Der Tag ist vorbei, ohne ihn wirklich gelebt zu haben. Das Leben spielt sich auf einer To Do-Liste ab, die in die Zukunft weist, aber die Gegenwart erdrückt. Keine Spur mehr von der lieb gewonnenen Langsamkeit des Seins, des Im-Moment-Lebens und Einfach-nur-Genießens. Scheinbar ist doch nicht alles in der Auszeit Gelernte so einfach in den Alltag zu übertragen, stelle ich etwas desillusioniert fest.
 
Einiges aber doch, und das stimmt mich fröhlich: die Lust auf Neues lebe ich jetzt im Kleinen aus. Das Kleine dabei sind die Rezepte, die ich den 8,5 Monaten Auszeit zusammengetrage habe, oder auch die vielen mitgebrachten Kochbücher, die ich abends mit Genuss lese, um dann Menüs zusammenzustellen, die ich in den nächsten Monaten kochen will. Nach nur zwei Wochen kann ich bereits stolz Kochexperiemente für folgende Rezepte nennen: Schoko-Bananen-Muffins, French Toast, Baked Grapefruit Alaska, Lemon Meringue Pie, Ei-Spinat-Frühstückstöpfchen, Überbackene Avocado und Hühnerbrust mit Spinat-Ricotta-Fülle melden. Die Rezepte dazu gibt es wieder auf http://dasfacettenreich.spaces.live.com/.
 
In den besonderen Mußeminuten sehe ich McLeods Töchter auf Video und lasse mich so nach Australien zurückbeamen – auch wenn die warmen Ringelsocken an meinen Zehen zwar fröhlich machen, aber doch nicht ganz zu Australien passen, wie ich es in Erinnerung behalten will: angenehm warm und sehr zehenfrei. Manchmal heize ich richtig ein und stecke die nackten Zehen heraus, nur um der Erinnerung für kurze Zeit gerecht zu werden.
 
Ganz ist die Erinnerung aber noch nicht verblasst, was auch daran liegt, dass ich damit beschäftigt bin, diverse Fotos auszuwählen und nachmachen zu lassen. Die Fülle der Fotos beweist, dass ich tatsächlich auf Weltreise war. Wenn ich mich jedoch das Wort "Weltreise" aussprechen höre, fühlt es sich sehr unwirklich an. War ich wirklich weg? So lange? So weit? So schön? Jedes Foto, das ich von Max und mir ausdrucke, erzählt eine ganze Geschichte. Manchmal muss ich zweimal hinschauen: War das wirklich ICH?
 
Auch in anderen Dingen merke ich die Nachwirkungen der Auszeit. Gehen wir einkaufen, denke ich automatisch: "Wo geht’s hier zu Safeway oder Coles?" und stelle mir dabei die unendliche Auswahl in den australischen und amerikanischen Supermärkten vor. Und vergesse darüber, eine Einkaufstasche mitzunehmen und muss diese im Supermarkt zahlen, was in Australien und den USA gar nicht üblich ist. Auch die Münzen für den Einkaufswagen vergesse ich regelmäßig – so etwas braucht man dort auch nicht. (Max: dafür stehen die Wagerl dort dann auch unnötig mitten am Parkplatz)
 
Manchmal ertappe ich mich auch dabei, wie ich ganz im Auszeitstil viel offener als in Wien üblich auf Menschen zugehe und sie anspreche. Nur den positiven Kommentar zu einer sehr bunten Brille eines älteren Herren verkneife ich mir dann doch: sie gefällt mir wirklich und sie passt ihm hervorragend, aber was ich in Australien noch ohne nachzudenken gemacht hätte, zensuriere ich hier. So erfährt er also nicht, dass ich seine schräge Brille an ihm wirklich ganz toll finde!
 
Auch einen Frisörbesuch habe ich zwischenzeitlich hinter mich gebracht. Ganze 4 Stunden hat er gedauert: 1 Stunde Warten mit Bummeln im Einkaufszentrum, 1 Stunde Warten im Geschäft und 2 Stunden Pseudo-Behandlung. Pseudo deshalb, weil die reine Bearbeitungszeit meines Hauptes maximal 40 Minuten in Anspruch nahm – die restliche Zeit wurden andere Kunden eingeschoben und diverse Tratschereien durchgeführt. Wenn man bedenkt, dass wir in Asien, Hawaii, Australien und den USA zahlreiche Frisörbesuche absolvierten – jedesmal kleine Mutproben, die wir aber nie nachhaltig bereuen mussten – und diese nie mehr als 20 Minuten dauerten, muss man sich hier schon wundern. Anstatt der netten Plaudereien, die wir im Ausland dabei erlebten, wurde meine Bearbeitung mit den schroffen Worten eingeleitet: "Pflegen Sie Ihre Haare nie?" Das war nun nicht gerade der ideale Einstieg für eine Verschwesterung und ich wage zu bezweifeln, dass ich diesen Frisör wieder besuchen werde.
 
Das Einkaufen zuhause erfordert auch ein Umdenken, dessen wir auch nach 2 Wochen noch nicht mächtig sind: die Lebensmittel hier haben sehr kurze Ablaufdaten und bereits dreimal haben wir Käse gekauft, an dem wir zuhause Schimmelbefall feststellen mussten. Das haben wir in 8,5 Monaten Auszeit kein einziges Mal erlebt. Auch die Tatsache, dass man etwas kauft, was laut Aufschrift bereits am nächsten Tag abläuft, ist noch etwas gewöhnungsbedürftig. Wie soll ich einen ganzen Becher Schlagobers an einem Tag verdrücken? Und wer besticht danach für mich die Waage?
 
Überhaupt finde ich, dass hier alles eine andere Dichte und Dimension hat, und dabei meine ich nicht nur die schnell dahinrasende Zeit. Nein, auch im Einkaufszentrum ist alles enger und dichter und schneller, ebenso im Autobus, in der Schnellbahn und in den Parkhäusern. Vielleicht trägt auch das zur subjektiv wahrgenommenen Gehetztheit und objektiv wahrgenommenen Gereiztheit bei.
 
Die Tatsache, dass wir so lange mit so wenig ausgekommen sind, führt auch zu befremdlichen Ausmistattacken. Alles, was sich nicht von selbst repariert hat (oder netterweise repariert wurde), muss raus. Das nenne ich Glück für den Geschirrspüler, der als einziges angeschlagenes technisches Gerät die Selbstheilungskräfte erfolgreich eingesetzt hat. Er darf bleiben!
 
Leider stellt er eine Ausnahme dar, und es scheint, dass, je mehr Probleme wir beseitigen und je mehr Dinge wir reparieren, umso mehr den Geist aufgeben. Die To Do-Liste unterliegt einem organischen Wachstum, von dem viele Unternehmen gerade heute nur träumen können.
 
Andererseits scheint es, als kämen wir aus dem Einkaufen in Wien gar nicht mehr heraus. Und zwar nicht, weil wir so viel unnötigen Kram kaufen, sondern weil der Neustart eben einige Anschaffungen erfordert, die manchmal allerdings in lustigen Kombinationen kommen. So etwa stand ich eines Tages höchst amüsiert an der Kassa vom Intersport Eybl, als die Verkäuferin den hübschen Abverkaufsbikini und die neuen Trekkingschuhe begutachtete und irgendwie den Eindruck erweckte, als würde sie diese Artikel alleine als etwas unvollständiges Outfit erachten.
 
Und ich arbeite Australien auf – mit der köstlichen Lektüre von Bill Bryson über "Down Under". So kurz danach liest sich das Buch, das ich bereits vor Jahren einmal gelesen habe, noch besser an. Wie gut kann ich vieles doch nachvollziehen!
 
Auch das Warten fällt mir viel schwerer. Das Warten bei Bus, Bahn und Kassen scheint hier wirklich sinnentleert, während es im Ausland okay war und mir Zeit gab, meinen Blick neugierig umherschweifen zu lassen. Doch die mir eigene Neugier findet hier nicht viel, was sie wirklich reizt. Was im Ausland auch nach Monaten noch exotisch und reizvoll war – die Auswahl an Kaugummisorten oder Zeitschriften an der Kassa von Supermärkten – ringt mir hier nur einen fast schon wieder gehetzten Blick auf die Uhr ab. Gut dass ich meistens keine trage, das bringt mich dann oft schnell wieder auf den Boden der Realität zurück.
 
A propos Realität: eine Welt mit Leberkäsesemmeln ist nicht übel; trotzdem vermisse ich Portobello-Pilze, frische und exotisch vormarinierte Meeresfrüchte, schokoüberzogene Cranberries und exotische Joghurtsorten. Und ich bezweifle stark, dass mich das österreichische Wunder ungesalzener Butter und ungesalzenen Schlagobers oder echten Schwarzbrots langfristig glücklich machen kann, vor allem wenn jeder Einkauf mit den Unannehmlichkeiten unglaublich vieler Hundescheißehaufen einhergeht, die hierzulande trotz einer ausgeschilderten Strafe von EURO 36 für die Verschmutzung von Straßen unaufgeklaubt bleiben.
 
Und a propos Neugier: auch Julica Jungehülsings Buch "Ein Jahr in Australien" lese ich noch einmal. Am Ende einer Australienreise schaut sie aufs Meer und beschließt zu bleiben. Nebst den vielen Gründen, die sie für ihr Bleiben anführt, nennt sie aber auch folgenden: "Und daneben gab es noch eine Reihe anderer Gründe, die unter anderem mit Neugierde, Herzklopfen, der Lust auf Neues und der Angst vor Alltag zu tun hatten." Damit spricht sie mir wirklich aus der Seele – nur dass ich nicht beschlossen habe zu bleiben.
 
Die Neugierde lässt sich hier einfach nicht so schnell befriedigen wie in der Fremde und das Herzklopfen hier ist bestenfalls die Folge von dummen Frisörinnen, langsamem Kassa-Personal und nicht funktionierenden Postzustellungen. Wo sind die Affen, die Kängurus und das Meer? Ist es wirklich das höchste der hiesigen Gefühle, wenn ich ganz in der Nähe ein neues kleines Einkaufszentrum entdecke, in dem auch ein neues chinesisches Lokal aufmacht? Ich will es nicht glauben…
 
Auch mein altes Gewand entdecke ich wieder: vieles kann man viel fröhlicher kombinieren, und an vieles erinnere ich mich gar nicht. Trotzdem: die alten "Probleme" und lästigen Pflichten haben sich nicht einmal Mühe gegeben, sich in neuem Kleid zu zeigen. Aber das macht nichts, denke ich, ich kann sie ja einer Kleiderpuppe umhängen. Und ich werde mir ein paar neue Sachen kaufen – ein Paar "outrageous shoes" muss her, davon träume ich seit der Auszeit, auch wenn ich bezweifle, darin wirklich gehen zu können. Das ist ja auch so eine Diskrepanz: die Lust auf neue Sachen, sei es Gewand oder technische Geräte. Man sollte meinen, dass wir nun mit weniger auskommen, was auch in vielen Fällen so ist – ich verweise mit großem Stolz auf unsere weiterhin halbleeren Lebensmittelladen und den innen halbleeren und hübsch dekorierten Kühlschrank – aber gleichzeitig erleben wir beide eine gewisse heimische Einkaufslust. Ein neuer Fernseher wäre schön, ein neuer Monitor, besagte neue Schuhe…
 
Eine Anschaffung erfolgt jedenfalls bereits nach wenigen Tagen: Zimmerpflanzen. Die alten Pflanzen sind uns im wahrsten Sinne des Wortes über den Kopf gewachsen und viel zu groß geworden für die Fensterbretter. Und erst nach einem Besuch bei Bellaflora, der nun auch die Fensterbretter wieder grün und blühend erscheinen lässt, kehrt für mich wieder ein Ansatz von häuslicher Normalität ein.
 
A propos häuslich: weiterhin entdecke ich technologische Errungenschaften, auf die ich bereits ganz vergessen hatte. Nicht nur, dass ich gewohnheitsmäßig mit der Hand abwasche, anstatt den Geschirrspüler zu befüllen, hatte ich auch beim Backen der Lemon Meringue Pie ein besonderes Aha-Erlebnis. Ich war gerade damit befasst, frisch geriebene Zitronenzesten klein zu schneiden, als mir Max über die Schulter blickte und mich an die Existenz einer Gemüsereibe erinnerte. Nicht genug damit: kurz darauf erklärten mir mehrere Personen, dass man geriebene Zitronenzeste bereits im Päckchen kaufen kann – wie simpel…
 
In der ersten Woche habe ich noch aufbegehrt gegen den heimischen Trott; jetzt füge ich mich in ihn und versuche, das Beste daraus zu machen. Ich lese die australischen Bücher, sehe australische Videos und koche ausländisch. Eine spannende Zeit, zweifellos, eine, die ich dokumentieren möchte, weil ich irgendwann den Prozess nachvollziehen können will, den das Heimkommen für mich mit sich gebracht hat. Wobei mich nicht einmal das Bloggen richtig freut, denn das zwingt mich, mir meine schlechte Laune und mangelnde Anpassungsfähigkeit einzugestehen. Okay, es ist ja nicht so, dass ich richtig gut im Es-Verbergen bin, aber es schwarz auf weiß zu sehen, ist natürlich auch nicht so toll – vor allem, wenn ich sehe, wie Max mit Freude und Gelassenheit diese Umstellung von Freiheit auf Alltag vornimmt.
Max: naja, "Freude" ist vielleicht nicht der richtige Begriff, aber ich hatte auch nicht so große Erwartungen an die Entdeckung eines neuen Lebens; daher fällt mir das Eintauchen ins "alte" Leben ein wenig leichter.
 
Und jetzt fahre ich schnell zum Arzt, bevor ich auf ein weiteres technisches oder anderes Problem stoße, das ich auf die To Do-Liste setzen muss! (Pfui, ich habe das Unwort "müssen" gesagt!) Ich werde auch bei Hofer stehenbleiben, um einige Kleinigkeiten zu besorgen, und vielleicht sicherheitshalber gleich neue Reiseprospekte mit nach Hause nehmen. Und wenn ich sehr viel Glück habe, komme ich diesmal mit sauberen Schuhen ohne Hundespuren daran zurück!
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen

08.10.2008 – 1 Woche danach

ODER: Von Rundbürsten, Föhnen und anderen seltsamen Gerätschaften
ODER: Nicht bestellt und dennoch abgeholt…
 
Eine Woche nach unserer Heimkehr nach 8,5 Monaten Auszeit in der Ferne steht die Welt zumindest für mich noch immer ein bisschen am Kopf, denn ich fühle mich verloren wie unsere Koffer und überfordert wie British Airways bei deren Zustellung. Wobei man dazusagen muss, dass ich es als wahres Glück betrachte, dass unser Gepäck anders als wir noch keine ganze Woche in Wien ist. Das verdanken wir übrigens British Airways und dem "famous terminal 5", das nebst unseren Gepäckstücken alleine von unserem Flug noch weitere 84 Koffer einbehalten hat; bei einem weiteren Flug am selben Tag, so wollte man uns trösten, spie das Terminal 5 überhaupt keine Gepäckstücke mehr aus…
 
Das führte jedenfalls dazu, dass wir a) in den ersten drei Tagen nicht auch noch mit dem Kofferauspacken belästigt wurden und b) wir mit einer Entschädigung von BA von knapp EUR 130 den kleinen Grundstein für eine weitere Auszeit gelegt haben.
 
Wir werden ganz lieb am Flughafen in Empfang genommen und es erwartet uns ein piekfein geputztes und herausgeputztes Haus. Trotzdem ist uns dieses "Hotel", wie wir es empfinden, sehr fremd, wenn man bedenkt, dass wir darin ja bereits viele Jahre gewohnt haben.
 
Es weist auch eine reichlich seltsame Ausstattung auf – Dinge, die ich seit 8,5 Monaten nicht mehr in Händen hatte und jetzt reichlich ungeschickt anfasse. Der Umgang mit Rundbürste (ich bin die letzten Monate mit einer gerade mal 10cm großen und daher handtaschentauglichen Minibürste ausgekommen), Föhn (wenn es jemals so kalt war, dass ich die Haare föhnen musste, tat ich dies notgedrungen mit einem kleinen Heizstrahler) und Staubsauger ("was es alles gibt!", zeigt auch Max seine Verwunderung ob derart technologischer Errungenschaften) muss erst wieder gelernt werden. Aug in Aug mit einer silbernen Rundbürste habe ich einige Ideen, was damit anzufangen sein könnte, die jedoch alle in Richtung eines Einsatzes bei Autopannen gehen. (Max: Was könnte das wohl sein? Ausbürsten des Auspuffs? Elektrostatisches Aufladen einer toten Batterie?)
 
Auch wenn eine eigene Dusche etwas sehr Schönes ist und die eigene Badewanne unter "wahren Luxus" fällt, sieht die Lage beim eigenen WC ganz anders aus. Monate quasi putzloser WCs haben dazu geführt, dass wir sehr verwöhnt sind und uns erneut die Frage stellen, warum sich die praktischen australischen und amerikanischen Klosysteme in Europa niemals durchgesetzt haben. Wer träumt nicht von einem selbstreinigenden WC??? Vielleicht wäre das ein neuer Berufsweg für mich: Importeur von Klomuscheln und Vermittlung kompetenter Installateure…
 
Nach wochenlangem Kampf mit einer nicht ablaufenden Spüle im Campervan ist hingegen eine Spüle, die abrinnt, etwas sehr Schönes. "Zuhause ist die Schwerkraft eben noch in Ordnung", stellt Max lapidar fest, um sofort, einer Drohung nicht ungleich, zu erklären, dass er den undichten Wasserhahn am liebsten sofort reparieren würde. Es gelingt mir, zumindest fürs Erste das Schlimmste abzuwenden und Max von neuerlichen Wasserspielen – ich erinnere nur ungern an die Unterwassersetzung des gesamten Hauses vor etwa 1 Jahr – abzuhalten.
 
Der Jetlag hält sich dankenswerterweise in Grenzen, was in meinem Fall auch darauf zurückzuführen ist, dass ich mir gleich eine ziemliche Erkältung einfange, die mich einem Jetlag ähnlich vom Schlafen abhält.
 
Ich tröste mich in den schlaflosen Stunden mit lustigen Stöberspielen. Es gibt jede Menge Überraschungskisten: solche, die wir uns vor Monaten aus solch exotisch anmutenden Oren wie Kuala Lumpur, Airlie Beach, Ubud oder Port Macquarie gesendet haben, solche, die uns amazon auf unsere Bestellung hin geliefert hat, und solche, die unseren Hausrat beinhalten, weil in Anbetracht diverser Hausrenovierungen in unserer Abwesenheit so einiges in Kisten gelandet ist.
 
Das Paradoxe daran ist, dass wir uns an viele Besitztümer überhaupt nicht erinnern. (Dass wir immer das, was wir doch vermissen, nicht finden, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.) Jetzt sind wir so lange mit so wenig ausgekommen, dass die riesige Auswahl hier überfordert und teilweise sehr unnötig erscheint. In anderen Bereichen wieder freue ich mich sehr über die neue alte Auswahl: und wer viele Monate vom selben Plastikgeschirr gegessen hat (auch wenn es brombeerfarben war), weiß, wovon ich rede.
 
Max meint: "Es fühlt sich an wie ein weiterer Zwischenstopp, nur dass wir noch nicht wissen, wohin es als nächtes geht." Ich hingege kann meine Befindlichkeit noch gar nicht einordnen. Ich sehe uns zu, wie wir Dinge tun, die wir im alten Leben auch gemacht hätten, ohne zu wissen, ob ich diese im neuen Leben auch machen will. Ich sehe Max zu, wie er entschlossen seiner alten Wege geht; er geht zum Arbeitsamt, liest Stelleninserate und bewirbt sich; er greift nahtlos seine alten Kontakte auf und geht mit der Laufrunde laufen. Für mich habe ich das Gefühl, in der Luft zu hängen: die Beine strampeln und wollen festen Boden unter sich finden, die Arme greifen nach unerreichbaren Dingen… Dabei ist es ja prinzipiell ganz nett, über den Dingen zu stehen und zu schweben – nur diesmal kann ich nichts dafür und nichts dagegen, das gefällt mir weniger. Fast ist es ein bisschen wie VOR der Auszeit: viel gespannte Erwartung, was da kommen mag – eine Phase des Umbruchs ins Unbekannte, auf das wir jetzt jedoch wesentlich weniger gut vorbereitet sind als auf die Auszeitdestinationen.
 
Um diese Phasen der Vakii (ist das der Plural von Vakuum?) zu überbrücken, bringen wir in tagelanger Arbeit einiges wieder zum Laufen: Autos, Geräte, Telefone, uns selbst; wir machen Gartenarbeit, weil unser Stammheuriger nicht offen hat und haben seltsame Träume. Ich etwa träume, dass ich in einem überdimensionalen Meerjungfrauenkostüm schnorcheln bin; die riesige, wunderschön schillernde Flosse zieht mich immer nach oben und treibt mich hoch und ich wundere mich zuerst lange, wessen Flosse das eigentlich ist. Was das wohl bedeuten mag? (Ich vermute aber, das hängt mit einem Foto zusammen, das ich gestern auf der Festplatte entdeckt habe: es zeigt drei Meerjungfrau-Skulpturen am Strand der Whitsundays in Australien. Ich hatte unseren Ausflug dorthin schon fast vergessen.)
 
Außerdem finde ich in Wien alles sehr billig. Das mag daran liegen, dass ich gewohnheitsmäßig noch immer alles mit 0,7 multipliziere, wie das in den USA ja auch angebracht war. Aber meistens fällt mir doch noch rechtzeitig ein, dass eine Umrechnung von EURO in EURO wenig Sinn macht und ich unterlasse weitere Übungen im kleinen Einmaleins.
 
Zur besseren Wiedereingliederung mache ich mich über ein neues Muffins-Rezept her. Meine Lieblingsnichte, die ich in 10 Tagen für eine Woche besuchen fahre, möchte mit mir Muffins backen. Und da es in Gibraltar nicht, wie für mein Stammrezept erforderlich, Rahm und Topfen gibt, musste ich also ein Rezept testen, das ohne diese Zutaten auskommt. Das Experiment ist gelungen! Die Schoko-Bananen-Muffins waren hervorragend und sollten sich auch in Gibraltar problemlos nachbacken lassen. (Rezept siehe http://dasfacettenreich.spaces.live.com).
 
A propos Essen: die Waage hielt eine durchaus positive und absolut unerwartete Überraschung für mich bereit; die Zahl ist weit weniger schlimm als das Spiegelbild, und das halte ich für einen guten Anfang – auch wenn heimische Gelüste wie Schweinsbraten, Leberkäsesemmel, Palatschinken eine ziemliche Bedrohung für diesen Zustand darstellen…
 
Noch etwas Positives habe ich festgestellt, nachdem der Briefträger mir die neuesten englischen Folgen von McLeods Töchter geliefert hat: ich verstehe australisches Englisch zwar noch immer nicht absolut super, aber viel viel besser als vor der Auszeit. Vielleicht sollte ich zum Perfektionstraining noch einmal hinfahren?
 
Überhaupt gebe ich mich in den wenigen Minuten, die zwischen der unglaublichen Menge an Admin-Kram bleiben, sehr vielen vor allem australischen Erinnerungen hin. Ich lese mit Hingabe alle meine importierten Kochbücher, rezeptweise, und plane, sehr viel davon nachzukochen. Wir haben sogar schon ein Plätzchen für alle neuen Kochbücher gefunden, indem wir großräumig die Lebensmittelregale in der Küche verkleinert haben: wer braucht so viel Vorratsraum, wenn man dort doch viel besser Kochbücher unterbringen könnte?
 
Ausgemistet wird auch gleich großzügig: stapelweise alte T-Shirts (wer braucht so viele?), Handtücher (ditto), Geschirr (ditto). Sehr befreiend, das Reduziertsein der Auszeit zumindest ansatzweise in den neuen Alltag mitzunehmen.
 
Aber das Eklatanteste nach 1 Woche Wien ist auch das Erschütterndste: die Zeit rast wieder dahin. Nach jedem Tag, nach einer Woche fragen wir uns, was wir eigentlich gemacht haben, dass die Zeit so schnell vergangen ist. Die ernüchternde Antwort lautet leider nicht: "NICHTS", sondern so viel eigentlich unnötigen Kleinkram, der aber doch gemacht werden muss. Im Rückblick betrachtet stelle ich fest, dass 8,5 Monate die Zeit wirklich im richtigen Tempo vergangen ist – nicht zu schnell und nicht zu langsam. Auch der Alterungsprozess ging, so finde ich, diese Monate hindurch in einem viel "richtigeren" Tempo vor sich. Und kaum zurück in einem Pseudo-Alltag zerrinnt uns die Zeit wieder zwischen den Fingern, obwohl sie derzeit sicher viel weniger kostbar ist als in der Auszeit.
 
Das liegt sicherlich daran, dass es in Wien nicht annähernd so viel Neues für uns geben kann wie in der Auszeit. Dort war es einfach so, dass wir jeden Abend festgestellt haben, welch tolle oder auch weniger tolle Überraschungen der Tag für uns bereitgehalten hat. Der Entdecker- und Abenteuergeist ist zuhause unterfordert, wie es scheint…
 
Ich genieße die vielen Wiedersehen und Wiederhören, ich freue mich über und auf die vielen Plaudereien und kulinarischen Experimente und geplanten Unternehmungen der nächsten Monate und hoffe, dass British Airways auch meine Seele bald nachliefert, die scheinbar noch irgendwo zwischen Australien und Fidschi in der Sonne liegt und mit sich baumelt (wer könnte es ihr verdenken? und wer, wenn nicht sie?).
Veröffentlicht unter Nachbetrachtungen | Kommentar hinterlassen